Oberstes Gebot – Gerechtigkeit

Deutschland

09. Mär 2024

Gerechtigkeit als oberstes Gebot für gute Regierung und die Frage nach Frieden und Krieg standen im Mittelpunkt der Ausführungen von Prof. Dr. Hans van Ess im Rahmen der Vortragsreihe der AVK zum Thema „Frieden, Religionen und Ethik“.

Oberstes Gebot – Gerechtigkeit

Prof. van Ess nahm seinen Ausgangspunkt in der Frühzeit chinesischer Kulturen und ihrer Staatenbildung. Sie sahen die großen Dienste eines Staates und Herrschers im Opferkult für die Ahnen und in Feldzügen zur Ausbreitung und Sicherung des Lebensbereiches der Untertanen. Die Ahnen verehren bedeutete, dass die Herrscher dafür sorgen mussten, das Land größer zu machen. Dafür wurde auch das Jahr in Zeitabschnitte eingeteilt, die sich innerhalb des Gegensatzes von Yin und Yang für bestimmte Aufgaben eigneten: in der dunklen Zeit des Jahres, den Wintermonaten, gab es weniger Arbeit auf den Feldern und daher mehr Möglichkeiten für Krieg und Kriegsdienst; zu dieser dunklen Phase des Jahres gehört auch das Töten und Leiden im Zusammenhang mit Kriegen.

Interessant ist dabei, dass der Krieg eigentlich nicht erwünscht ist. Vielmehr ging es immer wieder darum, dass der Herrscher günstige Friedens- und Lebensbedingungen für sein Volk schafft. Damit verfolgt er eine gerechte Regierung, und ein Volk würde sich gern und freiwillig einer solchen gerechten Regierung unterordnen. Die Perspektive einer gerechten Herrschaft würde auch Nachbarvölker überzeugen und es müsste gar nicht zu einem Krieg kommen, so wenigstens die Idealvorstellung. Wenn ein Herrscher allerdings das Ideal der Gerechtigkeit vernachlässigt, muss diese Regierung notwendigerweise scheitern, nach diesem Weltbild. Krieg ist dabei vor allem eine Vorgehensweise, um Gerechtigkeit und die gute Ordnung wieder herzustellen und gegebenenfalls Übeltäter zu bestrafen. In dieser guten Ordnung und gerechten Regierung sah man in China auch die höchste Errungenschaft der chinesischen Zivilisation, die sich daher ja auch als das „Reich der Mitte“ verstehen und von dieser Mitte aus für die ganze Welt attraktiv erscheinen konnte.

Im Lauf der Geschichte zeigte sich allerdings auch, dass diese Ziele in der Praxis leichter zu erreichen wären, wenn man sich nicht an die Idealvorstellungen eines gerechten Kriegs hielt, sondern Tricks und Ungerechtigkeiten anwandte, um den Krieg zu gewinnen und so den Herrschaftsbereich auszuweiten. Dieser Widerspruch war vielen Philosophen und Weisen durchaus bewusst und sie stellten daher die Möglichkeit von Krieg als Weg zu einer gerechten Gesellschaft auch immer wieder in Frage, wie Prof. van Ess mit Bezug auf alte chinesische Militärliteratur erläuterte. Die Weisen brachten moralische Fragestellungen zur Legitimität einer gerechten Herrschaft ins Spiel und kamen vielfach zur Einsicht, dass Waffen letztlich Unglück bringen. Daher sahen viele von ihnen den Krieg nur als letzte Möglichkeit, wenn alles andere vorher gescheitert war.

Anschließend an den Vortrag konnten diese Themen aus dem frühen chinesischen Verständnis auf heutige Fragestellungen aktualisiert werden. Dabei zeigte sich, dass der Begriff von Gerechtigkeit und einer darauf aufbauenden Herrschaft immer wieder von all denen beansprucht wird, die Krieg führen und in Konflikten engagiert sind, und zwar tragischerweise auf beiden Seiten der Konflikte. Eine eventuell „objektive“ Sicht auf Gerechtigkeit als Grundlage für eine Herrschaft in einem Land lässt sich meistens nicht herstellen, sondern Gerechtigkeit und eine bessere Staatsform wird von beiden Seiten der kriegsführenden Parteien in Anspruch genommen.

Christian Tauchner SVD
Akademie Völker und Kulturen (AVK)

Datenschutzhinweis

Diese Webseite nutzt externe Komponenten, wie z.B. Facebook und Youtube welche dazu genutzt werden können, Daten über Ihr Verhalten zu sammeln. Datenschutzinformationen